"Stell dir vor es gibt Änderungsvereinbarungen und keineR unterschreibt": Arbeitskampf im oberösterreichischen Sozialbereich

Über 600 MitarbeiterInnen der Pro Mente Oberösterreich fanden sich am 7.2.2008 in der Kürnberghalle bei Linz zu einer Betriebsversammlung ein. Die Geschäftsführung informierte vormittags die Belegschaft über die anstehenden Änderungskündigungen und versuchte dabei die massiven Verschlechterungen, die die neuen Verträge mit sich bringen, in ein bestmögliches Licht zu rücken.

Gefährliche Drohung

Betroffen von den angedrohten Änderungskündigungen sind neben ca. 800 der etwa 1.200 Beschäftigten der Pro Mente alle etwa 120 MitarbeiterInnen von Exit Sozial. Sie werden nun aufgefordert, bis 1.10.2008 ihre alten Verträge ‚freiwillig’ gegen neue Verträge auf Basis des BAGS-Kollektivvertrages einzutauschen; sind sie dazu nicht bereit, werden sie bis dahin 2008.
Als fauler Kompromiss wird das derzeitige Gehalt eingefroren, es gibt keine Vorrückungen mehr – und das in einer Branche, in der es seit eineinhalb Jahrzehnten fast jedes Jahr einen Reallohnverlust – zumindest wenn die Steuerprogression einberechnet wird – gegeben hat. Die Gehaltsdifferenz soll durch Ausgleichszahlungen abgefedert werden. Darüber hinaus wird der Bildungsurlaub um eine halbe Woche gekürzt. Die Weihnachtsgutscheine sowie der freie Karfreitag fallen weg.

Solidarität

Die Wichtigkeit des Zusammenhalts im Sozialbereich wurde vor allem durch die Teilnahme und Solidaritätsbotschaften von anderen Betriebsratskörperschaften demonstriert. So waren BetriebsrätInnen von Exit Sozial, Diakoniewerk, Volkshilfe, Assista, Lebenshilfe, Spattstrasse und Caritas bei der Betriebsversammlung anwesend.
Auf den Betriebsversammlungen bei Pro Mente Freitag Exit Sozial wurde einstimmig (mit einer Enthaltung) beschlossen, das ‚Angebot’ der Geschäftsführung nicht zu akzeptieren. Nun werden also von den Geschäftsführungen die bereits erwähnten „Änderungsangebote“ an die Belegschaft verschickt. Wenn diese nicht angenommen werden, hat dies zunächst noch keine Konsequenzen. In weiterer Folge werden jedoch denjenigen, die diese Vereinbarung nicht unterschrieben haben, die Kündigung verbunden mit der nochmaligen Aufforderung zum Umstieg auf die schlechteren Regelungen bekommen.

Kampf(los)

Kampflos wollen sich die KollegInnen das allerdings nicht gefallen lassen. So werden in nächster Zeit kleinere Teilbetriebsversammlungen zur Information abgehalten, auf welchen auch die „Änderungsangebote“ gemeinsam zurückgeschickt werden. Dadurch soll ein erneutes Stimmungsbild von der Belegschaft gewonnen werden. Der Betriebsrat der Pro Mente versucht so z.B. mit dem Leitspruch „Stell dir vor es gibt Änderungsvereinbarungen und keineR unterschreibt“ den MitarbeiterInnen Mut zum Widerstand zu machen.
Auf Forderungen nach einem Streik wurde auf den Betriebsversammlungen leider nicht näher eingegangen. Der Betriebsratsvorsitzende der Pro Mente bezeichnete vielmehr die derzeitige Lage als Test, was sich die Belegschaften wohl noch alles gefallen lassen würden.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern stellte sich dafür die GPA-djp ohne Wenn und Aber hinter die Belegschaft und hat angekündigt, diese in ihren Kampfmaßnahmen bis hin zu einem eventuellen Streik zu unterstützen. Der Landesgeschäftsführer der GPA-djp Andreas Stangl, der auch auf der Betriebsversammlung anwesend war, forderte die gleiche Absicherung wie sie die ausgegliederten oberösterreichischen Landesbediensteten mit sehr langen Übergangsfristen bei der Gehaltsanpassung zugestanden bekommen haben. Er betonte, dass nur eine starke Gewerkschaft mit vielen Mitgliedern längerfristig gegen die Sparpolitik erfolgreich ankämpfen kann; noch während der Betriebsversammlung traten in der Folge spontan ca. 70 Personen der Gewerkschaft bei, was einmal mehr beweist, dass Kampfmaßnahmen das beste Argument für die Gewerkschaftsmitgliedschaft sind.

Gefahren

Wenn es bei der großen Pro Mente in Oberösterreich gelingt, die Änderungskündigungen durchzuziehen, dann wird es Schritt für Schritt im ganzen Sozialbereich so weitergehen. Setzen wir daher ein Zeichen, dass wir uns das Kaputtsparen im Sozialbereich nicht länger gefallen lassen; das sind wir uns selbst und unseren KlientInnen schuldig!
Dazu müssen wir gemeinsam kämpfen! KeinE darf nun alleine gelassen werden, denn nur im Kollektiv können wir die Änderungskündigungen stoppen! Deshalb braucht es laufend detaillierte Informationen durch den Betriebsrat über den aktuellen Stand der Verhandlungen sowie über die Rückmeldungen aus der Belegschaft.
Die kollektive Rückgabe „Änderungsangeboten“ im Zuge der Teilbetriebsversammlungen sollte als medienwirksame Aktion an den Verantwortlichen, den Soziallandesrat Ackerl, erfolgen. Wenn trotz unseres Widerstandes kein Erfolg abzusehen ist, muss unbedingt in weiteren Betriebsversammlungen eine Urabstimmung über die weitere Vorgehensweise abgehalten werden. Nach Vorbild der finnischen Krankenschwestern sollte dabei über die kollektive Kündigung abgestimmt werden oder aber über einen Streik. Nur so können die einzelnen Betroffenen auch wirklich sicher gehen, im Falle einer Kündigung nicht alleine da zu stehen.
Unsere Solidarität muss aber auch jenen gelten, die schon jetzt nach den schlechteren Bedingungen des BAGS-Kollektivvertrages angestellt sind. Auch sie dürfen nicht zurückgelassen werden. Gemeinsam müssen wir daher für einen gerechten Lohn und einen fairen Kollektivvertrag kämpfen. Nur so können wir auf Dauer die laufende Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen verhindern!

Gisa Starzengruber, Oberösterreichische Vernetzung im Gesundheits- und Sozialbereich