Budgetsanierung notwendig, aber scharfe Kritik an einzelnen Vorhaben: ÖGB-Bundesvorstand: Korrektur bei Belastungen für Familien und StudentInnen unumgänglich

Der ÖGB kritisiert massiv die überproportionalen, unverhältnismäßigen und unfairen Belastungen, die vor allem Jugendliche, Studierende und deren Familien voll treffen. Die Entlastung für die PendlerInnen ist viel zu niedrig, vor allem, wenn man bedenkt, dass durch das System der Freibeträge jene, die keine Steuern zahlen, kaum entlastet werden. Daher fordert der ÖGB die Umstellung der Pendlerpauschale von Freibeträgen auf Absetzbeträge.
In den Vorschlägen der Bundesregierung finden sich aber auch wesentliche Forderungen des ÖGB und der Gewerkschaften wieder. Positiv ist, dass trotz zahlreicher Ankündigungen, wonach neue oder höhere Steuern nicht in Frage kämen, nun doch einnahmenseitige Maßnahmen geplant sind, die Vermögens- und Kapitaleinkünfte betreffen, betont der ÖGB-Bundesvorstand im Anschluss an seine Sitzung gestern, Donnerstag

Einnahmenseitige Konsolidierung: Vermögensbezogene Steuern

Vorhaben wie Bankenabgabe (500 Mio.), Ende der Stiftungsprivilegien (100 Mio.) oder Kapitalertragssteuer auf Aktiengewinne (bis zu 250 Mio.) werden wesentlich dazu beitragen, das Defizit zu reduzieren. Zwei Drittel der neuen Steuern werden von Banken, Vermögenszuwächsen, Stiftungen und Körperschaftsbesteuerung kommen. Der ÖGB-Bundesvorstand hat immer verlangt, dass die Verursacher der Wirtschaftkrise und die Profiteuere der Bankenrettungspakete Verantwortung übernehmen müssen. Diese Forderungen finden sich zum Teil in den einnahmenseitige Maßnahmen wieder, obwohl die Bundesregierung vor einigen Monaten noch angekündigt hatte, das Budget sollte ausschließlich ausgabenseitig konsolidiert werden.
Dazu kommen weitere Kapitel, die zusätzliche Einnahmen bringen, etwa höhere Sozialversicherungsabgaben für Selbständige und Bauern, die auch einen überfälligen Schritt in Richtung Beitragsgerechtigkeit darstellen, und erhöhte Zinsen für Arbeitgeber, die mit den Sozialversicherungsbeiträgen säumig sind.
Heftig kritisiert der ÖGB-Bundesvorstand die Unterdotierung des Kassenstrukturfonds, in den nur 40 statt 100 Millionen Euro fließen sollen. Das Gesundheitssystem braucht zusätzliche Einnahmequellen, denn im eigenen Bereich haben die Gebietskrankenkassen bereits die ihnen auferlegten Sparziele erfüllt.
Bei den einnahmenseitigen Maßnahmen vermisst der ÖGB allerdings die Wiedereinführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie einer Vermögenssteuer. Bedauerlich ist auch, dass die Regelungen zur Gruppenbesteuerung nicht aufgehoben bzw. geändert wurden. Belastungen für die Familien, Jugendliche, Kinder, Studierende und ArbeitnehmerInnen wären dadurch nicht notwendig, und gleichzeitig könnten damit die Offensivmaßnahmen, Stichwort Sozialmilliarde, finanziert werden.

MöSt-Erhöhung belastet PendlerInnen

Ein Hauptkritikpunkt ist die Erhöhung der Mineralölsteuer (MöSt) um 5 Cent pro Liter Diesel und 4 Cent pro Liter Benzin, die besonders jene ArbeitnehmerInnen trifft, die auf das Auto angewiesen sind, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Die in Aussicht gestellte Entlastung der PendlerInnen um 15 Millionen, voraussichtlich über eine Erhöhung der Pendlerpauschale, ist zu gering, um die massiven Belastungen auszugleichen. Der ÖGB fordert eine entsprechend stärkere Erhöhung der Pendlerpauschale, sowie die Umstellung von Freibeträgen auf Absetzbeträge, die auch ArbeitnehmerInnen mit geringem Einkommen spürbar entlasten. Die Pendlerpauschale soll auch für alle Teilzeitbeschäftigten eingeführt werden.

Pensionen: Vertrauensschutz bleibt

Der ÖGB-Bundesvorstand beurteilt besonders positiv, dass der Vertrauensschutz bei der Langzeitversichertenregelung (Hacklerpension) gewahrt bleibt und es bis 2013 keine Änderungen beim Antrittsalter geben wird. Ab 2014 wird das Pensionsalter für Langzeitversicherte um zwei Jahre angehoben, auf 62 Jahre bei Männern und 57 bei Frauen. Verbesserungen wird es bei der Invaliditätspension geben, wo der Zugang erleichtert und verstärkt auf Rehabilitation gesetzt wird. Der maximale Abschlag soll von 15 auf 12,6 Prozent verringert werden, für SchwerarbeiterInnen auf 9 Prozent.

Sparen bei Ausgaben für Studierende und Familien

Grundsätzlich positiv sind die zusätzlichen Mittel für die Universitäten und Schulen, besonders für den vom ÖGB geforderten Ausbau der Ganztagsschulen. Als zu wenig bezeichnet der ÖGB-Bundesvorstand die 80 Millionen Euro für die Universitäten, zumal gleichzeitig massive Kürzungen auf Kosten der Studierenden vorgesehen sind, etwa durch die Streichung der Familienbeihilfe für Über-24-Jährige. Auch die Verschärfung der Studieneingangsphasen widerspricht der ÖGB-Forderung nach Aufrechterhaltung des freien Hochschulzugangs.
Der Plan, Studierenden, die älter als 24 Jahre sind, sowie Arbeit Suchenden zwischen 18 und 21 Jahren die Familienbeihilfe (und eventuell auch damit gekoppelte weitere Sozialleistungen) zu streichen, ist völlig unverhältnismäßig und belastet die Betroffenen mit rund 2.700 Euro pro Jahr überproportional zu anderen Bevölkerungsgruppen. Zusätzliche Verluste durch den Wegfall von Vergünstigungen, die an die Familienbeihilfe geknüpft sind, sind dabei noch nicht eingerechnet.
Begrüßt werden die 100 Millionen Euro Investitionen in thermische Sanierung, die die Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen sollen. Kritisiert wird, dass im Bereich der Verkehrsinfrastruktur fast ausschließlich beim ÖBB-Personal, nicht aber bei Bauprojekten gespart werden soll.

Pflege: ÖGB erwartet Zweckwidmung der Bundesländer-Mehreinnahmen

Da ein wesentlicher Teil der Mehreinnahmen den Bundesländern über den Finanzausgleich zufließen wird, erwartet der ÖGB, dass ein großer Teil davon zweckgebunden für Pflege und Betreuung (im Rahmen der Sozialmilliarde) verwendet wird. Der ÖGB fordert die Einrichtung eines Pflegefonds und die jährliche Valorisierung des Pflegegeldes.

ÖGB wird auf Änderungen drängen

Der Bundesvorstand des ÖGB ist sich der Notwendigkeit, das Defizit abzubauen bewusst und bekennt sich dazu. Einzelne der bisher bekannten Vorhaben sind jedoch äußerst kritisch zu sehen. Der Bundesvorstand des ÖGB erwartet, dass es hier noch zu Änderungen kommt, vor allem dass die überproportionalen Belastungen für Familien korrigiert werden. Der ÖGB wird zu jedem einzelnen Gesetz in der Begutachtungsphase Stellungnahmen abgeben und seine Vorschläge einbringen.

ÖGB, 29.10.2010