Chronologie der BAGS-Kollektivvertragsverhandlungen im Dezember 2010: Das haben sich die MitarbeiterInnen nicht verdient!

Am 1. Dezember wurden die Forderungsprogramme zu den BAGS-Kollektivvertrags-verhandlungen ausgetauscht. Dabei sind einige "Gegenforderungen" der Arbeitgeber besonders hervor zu streichen - jedoch nicht positiv.
Die Arbeitgeber wollen
* Streichung des 50 %-Zuschlages für die 39. und 40. Wochenstunde
* Durchrechnungszeitraum von 52 statt wie bisher zwischen 8 und 26 Wochen
* Mitnahme von Minusstunden in den nächsten Durchrechnungszeitraum
Mit einem ersten Erhöhungsangebot in der Höhe von 0,85 % und Euro 25,50 mindestens, würden sich die Beschäftigten die Gehaltserhöhung selbst zahlen und sogar noch Verluste hinnehmen müssen. Im Durchschnitt auf alle Verwendungsgruppen würde dies eine Erhöhung von 1,23 % bedeuten.
Danach folgte die erste Verhandlungsrunde am 16. Dezember 2010 und dauerte 13 Stunden.
Schnell wird klar, dass uns die Arbeitgeber auch heuer keine faire Lohn- und Gehaltserhöhung gönnen. Schon nach einer kurzen Begrüßung, wird von den Arbeitgebern eingebracht, dass die Gehaltserhöhung im Jahr 2010 zu hoch war, das die Fördersituation sich massiv verschlechtert hat, und dass als einziger Parameter die Inflationsrate für die Verhandlungen eine Rolle spielt.
Die Arbeitnehmerverhandlerinnen betonen, dass es bei der Schaffung des Kollektivvertrages gemeinsame Ziele gab. Diese waren: bessere Entgeltbestimmungen, flexiblere Arbeitszeiten, geregelte Ausbildungen und somit auch Einfluss auf die Förderbestimmungen. Die Arbeitgeber scheinen diese Ziele aber im Wesentlichen vergessen zu haben, und wollen nur mehr ein Ziel durchsetzen: EINSPARUNGEN bei den Beschäftigten.
Die Arbeitgeber referieren über einen Vergleich der unterschiedlichen Berufsgruppen, die sie auch in anderen Kollektivverträgen gefunden haben. Dabei vergessen sie, dass der BAGS-Kollektivvertrag ein Mindeststandard ist, der für viele zugleich eine Obergrenze darstellt. Neben einer deutlichen Überzahlung in vielen anderen Branchen, können auch Kollektivverträge nicht miteinander verglichen werden, da sehr oft mehr Vordienstzeiten angerechnet werden, oder mehr und höhere Zulagen bezahlt werden.
Nach einer kurzen Pause werden redaktionelle Änderungen besprochen. Auch hier versuchen die Arbeitgeber scheinheilig weitere Arbeitszeitflexibilisierungen als redaktionelle Änderungen zu tarnen.
Danach wird das Forderungsprogramm der ArbeitnehmerInnen durchbesprochen.
Unsere wichtigsten Forderungen nochmals im Überblick (sinngemäß zusammengefasst):
* gerechte Erhöhung der Löhne und Gehälter
* Streichung der zwei zuschlagsfreien "Pufferstunden" bei Teilzeitbeschäftigten
* Anrechnung der Karenzzeiten (Elternkarenz aber auch Familenhospizkarenz) auf Vorrückungen im Gehaltsschema und den Urlaubsanspruch
* Einbeziehung von Zulagen UND Zuschlägen in die Berechnung von Urlaubszuschuss und Weihnachtsrenumeration
* Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften mit der Ehe
* Neuregelung der Anrechnung von Vordienstzeiten (Streichung der Höchstgrenze von 10 Jahren, nicht facheinschlägige VDZ ebenfalls ohne Höchstgrenze, Wegfall der Aliquotierung von VDZ unter 19 Wochenstunden)
* Erfolgsprämie für Lehrlinge - diese sollen für bestandenen Ausbildungsnachweis 50 % der Förderung erhalten
* gesetzlich verpflichtende Fortbildungen zählen als Arbeitszeit und die Kosten müssen vom AG getragen werden
* Regelung zur Verrechnung des amtlichen Kilometergeldes im KV
* Zusammenführung und Vereinfachung der § 41 und 41a (Übergangsbestimmungen und Optierung in den BAGS-KV)
Der BAGS-Kollektivvertrag war einmal Vorreiter in der Bezahlung von Mehrarbeitsstunden, doch mittlerweile ist das Gesetz besser als unser Kollektivvertrag. Die Arbeitgeber wollen gerade für Teilzeitbeschäftigte keine Verbesserung, sondern die Flexibilität für ihre Anliegen nutzen, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen.
Auch bei der Anrechnung der Karenzzeiten können sich die Arbeitgeber keine Verbesserungen vorstellen. Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern wird daher weiter auseinander gehen.
Bei der von uns eingebrachten Forderung, eingetragene Partnerschaften den Ehen gleichzustellen, gibt es ein Entgegenkommen der Arbeitgeber, allerdings ist diese Gleichstellung bereits im Gesetz vorgegeben.
Die wohl längste Diskussion an diesem Verhandlungstag geht über die Anrechnung von Vordienstzeiten. Trotz Personalknappheit und der laufenden Forderung der Arbeitgeber auch QuereinsteigerInnen für den Pflegeberuf zu gewinnen, können sich die Arbeitgeber nicht vorstellen, in der Zukunft für höhere Einstiegsgehälter durch mehr Vordienstzeitenanrechnungen ein zu stehen.
Besonders bitter ist, dass im Laufe der Verhandlungen klar herausgekommen ist, dass die Arbeitgeber die Lehrlingsprämie für sich als Wirtschaftsprämie beanspruchen wollen. Dabei absolvieren die Lehrlinge den Praxistest zur Mitte der Lehre, die Förderung von Euro 3.000 pro Lehrling möchten die Arbeitgeber aber keinesfalls mit den erfolgreichen Lehrlingen teilen.
Der nächste heiß diskutierte Forderungspunkt sind die gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildungen. Hier verwechseln einige Arbeitgeber Ausbildungen mit Fortbildungen. Weiters werfen sie uns vor, dass wir möchten, dass die Arbeitgeber Esoterikkurse und Aromatherapiekurse bezahlen sollen. Wir verweisen mehrmals darauf hin, dass es bestimmte Berufsgruppen (DGKS, Pflegehelfer,…..) gibt, die per Gesetz Fortbildungsveranstaltungen besuchen müssen, um ihre Berufsberechtigung nicht zu verlieren. Die Arbeitgeber meinen, dass der Nutzen für die Beschäftigten größer ist, als für die Arbeitgeber, und dass diese ja freiwillig etwas bezahlen können, wenn sie wollen. Die Erfahrung zeigt uns allerdings, dass Arbeitgeber nur das zahlen, wozu sie im Kollektivvertrag verpflichtet werden.
Bei unserer Forderung nach dem Kilometergeld verhält es sich ähnlich. Es soll jedem Arbeitgeber freigestellt sein, wie viel Kilometergeld er seinen Beschäftigten zahlt. Die VerhandlerInnen der ArbeitnehmerInnen-Seite weisen darauf hin, dass jetzt bereits viele Betriebe das amtliche km-Geld bezahlen, und es auch zum Vorteil der Arbeitgeber ist, wenn alle gleiche Wettbewerbsvorteile haben. Auch hier folgt überraschend die Antwort der Arbeitgeber, dass sie ja genug ArbeitnehmerInnen finden, die zu diesen Bedingungen ihr Privatauto nutzen, und viele Arbeitgeber ja so „nett“ seien, die Vollkaskoversicherung zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Beschäftigten in der mobilen Pflege und Betreuung mit ihren meist Teilzeitgehalt nicht einmal den Aufwand bezahlt bekommen, der ihnen durch Dienstfahrten entsteht.
Bei einer Klarstellung bezüglich der weiteren Optierungsmöglichkeit in den Kollektivvertrag, erklären die Arbeitgeber, dass sie darüber nachdenken werden. Diese Antwort haben wir allerdings schon letztes Jahr bekommen, der Nachdenkprozess dauert an ...
Bei der Abklärung der weiteren Schritte bei den Arbeitsgruppen wird die Diskussion sehr emotional. Ein verhandelter Kompromiss der Arbeitsgruppe „volle Erziehung“ wird abgelehnt, allerdings möchten die Arbeitgeber weiterverhandeln. Die Arbeitnehmerseite stellt hier klar, dass es entweder dieser Kompromiss ist, oder keiner. Schon mehrmals wurden konstruktive Lösungsvorschläge von Arbeitsgruppen (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) im BAGS-Vorstand abgelehnt.
Danach werden die rahmenrechtlichen Forderungen der Arbeitgeber durchgesprochen.
Die Arbeitgeber wollen weiterhin die Streichung des 50 %-Zuschlages für die 39. und 40. Wochenstunde. Der Grundsatz der echten Arbeitszeitverkürzung, der beim Abschluss des Kollektivvertrages vereinbart wurde, soll damit unterlaufen werden. Hier gibt es eine hohe Betroffenheit der Beschäftigten, für viele würde dies mit deutlichen Einkommenseinbußen einhergehen. Außerdem gibt es in vielen Bereichen Durchrechnungsmodelle, die der Auszahlung der Zuschläge entgegenstehen.
Die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums auf 52 Wochen (statt bisher zwischen 8 und 26 Wochen) wird von den ArbeitnehmerInnen massiv abgelehnt. Schon jetzt bietet der BAGS-Kollektivvertrag viele Flexibilisierungsmöglichkeiten. Die Arbeitgeber wollen sich durch einen längeren Durchrechnungszeitraum die Zuschläge für Mehr- und Überstundenarbeit sparen, und somit die Löhne und Gehälter in diesem Bereich weiter schmälern.
Auch die Mitnahme von Minusstunden in den nächsten Durchrechnungszeitraum wird vehement abgelehnt. Hier wollen die Unternehmer das Unternehmerrisiko auf die Beschäftigten abwälzen.
Doch die größte Überraschung kommt noch! Die Arbeitgeber unterbreiten ein neues Angebot für die Lohn- und Gehaltserhöhung, und dieses liegt unter dem bisherigen Angebot. So sollen nur mehr die niedrigsten Einkommen eine Inflationsabdeckung bekommen, die höheren Gruppen sollen diese finanzieren. Allerdings können sich die Arbeitgeber nicht darauf einigen, was unter „niedrigsten Einkommen“ zu verstehen ist. Und noch klarer wird es, wenn es um die Erhöhung der IST-Löhen und IST-Gehälter geht, diese Erhöhung soll auf jeden Fall noch weiter drunter liegen.
Aufgrund dieses skandalösen Angebotes fordern die ArbeitnehmerInnen die Arbeitgeber auf eine Nachdenkepause in den Verhandlungen einzulegen, und ihr Angebot zu überdenken.
Die Gewerkschaften und BetriebsrätInnen fordern: Die Einkommen müssen real steigen und die Beschäftigten im privaten Gesundheits- und Sozialbereich müssen sich von ihrem Gehalt mehr kaufen können - nur DAS ist fair!
Wir fragen die Arbeitgeber:
* Wo bleibt eine angemessene Wertschätzung der Beschäftigten?
* Wo bleibt ein Anerkenntnis der hohen Leistungsbereitschaft der Beschäftigten?
* Wo bleibt der Erhalt der Kaufkraft?
Der nächste Verhandlungstermin wurde für 12. Jänner 2010 vereinbart. Sollten die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen ist der 26. Jänner 2011 als Aktionstag geplant. Wir ersuchen alle Betriebsräte und Betriebsrätinnen die Beschäftigten bereits jetzt zu informieren. Denn nur GEMEINSAM sind wir stark, und wir meinen: SOZIALE ARBEIT IST MEHR WERT!!!!

GPA-djp, 17.12.2010