GPA-djp: Watchlist Prekär gegen Sozialbetrug durch Scheinselbstständigkeit
"Unschöner Zirkus" von Werkverträgen, Freien Dienstverträgen und EPU zulasten der Betroffenen

"Kaum ein Tag vergeht, ohne dass irgendwo Neue Selbstständige gefeiert werden. Mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Wirtschaftskammer sind bereits Ein-Personen-Unternehmen (EPU), von denen ein Drittel die ersten Jahre der Selbstständigkeit allerdings nicht überlebt. Aus der Beratungstätigkeit unserer Interessengemeinschaft work@flex wissen wir, dass immer mehr ArbeitnehmerInnen teilweise nach jahrzehntelanger Anstellung plötzlich vor die Wahl gestellt werden, entweder auf Basis eines Freien Dienstvertrags oder eines Werkvertrags weiter beschäftigt oder gekündigt zu werden. Für die Betroffenen bedeutet das fehlende arbeitsrechtliche Absicherung und weniger Einkommen. Da hat sich mittlerweile ein unschöner EPU- und-Werkvertragszirkus entwickelt, dem wir nicht tatenlos zusehen können", erklärte Vorsitzender Wolfgang Katzian heute in einer Pressekonferenz, warum die GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) jetzt verstärkt prekären Dienstverhältnissen den Kampf angesagt hat. Exakt ein Jahr nach der Watchlist Praktikum, die BerufseinsteigerInnen zu ihrem Recht in der Arbeitswelt verhilft, was rund 100.000 Zugriffe, mehr als 100 Anzeigen und erste Gerichtsverfahren beweisen, ist seit heute deswegen die Watchlist Prekär online.
"Daten, Rahmenbedingungen und vertragliche Vereinbarungen zu Freien Dienstverhältnissen und Werkverträgen können ab sofort auf www.watchlist-prekaer.at anonym in ein Formular eingeben werden. Die erhobenen Daten leiten wir an die Gebietskrankenkassen weiter, um die jeweiligen Unternehmen prüfen zu können", erklärt Veronika Kronberger, zuständig für die IG work@flex. Kronberger erwartet auch deshalb viele Meldungen, weil die Armutsgefährdung durch Krankheit besonders hoch sei. Krankengeld gibt es für atypische Beschäftigungsverhältnisse beispielsweise erst ab dem 42. Krankheitstag, "viele Betroffenen müssen wirklich von der Hand in den Mund leben." Skurril sei außerdem, wofür es bereits Gewerbescheine gebe, hier nannte Kronberger die Regalbetreuung im Supermarkt oder das Verspachteln von bereits montierten Gipsplatten.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer bestätigte den Handlungsbedarf, besonders schlimm sei die Situation am Bau, in der Landwirtschaft und im Tourismus. "Nach einem intensiven Dialog mit den Interessenvertretern und mit der Finanzbehörde haben wir ein Maßnahmenpaket gegen Sozialbetrug geschnürt, das vor allem auch besser gegen Scheinfirmen und Sozialbetrug greift."
"Wir haben mit dem Sozialministerium und mit den Gebietskrankenkassen gute Partner, es gibt aber auch noch viel zu tun", fasste Katzian abschließend die Forderungen der GPA-djp zusammen: arbeitsrechtliche Gleichstellung für Beschäftigte auf Basis freier Dienstverträge, mehr Prüfung von Werkverträgen durch die Gebietskrankenkassen sowie Transparenz über Neue Selbstständige, also mehr Daten von WKO und SVA.
Außerdem erinnerte Katzian einmal mehr an All-In-Verträge, die zwar nicht ursächlich, aber in ihren Konsequenzen sehr wohl mit den Thema zu viel Arbeit für zu wenig Geld zu tun haben: "Ursprünglich für Führungskräfte ins Leben gerufen, hat mittlerweile bereits jede/r fünfte Beschäftigte einen All-In-Vertrag. Wir fordern die Beschränkung auf die Managementebene - das wird unser nächster Schwerpunkt."

GPA-djp-Presseaussendung vom 08.07.2015