Unsere Arbeit ist mehr wert: BetriebsrätInnen in der GPA-djp Wien machen anlässlich der KV-Verhandlungen Unsichtbares sichtbar

Mit dem folgenden Text wurde die Presse am 20.11.2008 über eine ÖGB-OTS-Meldung zur Aktion eingeladen, an der auch BetriebsrätInnen von SDW und PSD beteiligt waren.

Gerade vor der Weihnachtszeit werden mit Recht immer die Menschen in unserer Gesellschaft in den Medien dargestellt, denen es aus verschiedensten Gründen weniger gut geht als vielen anderen - weil sie alt sind, krank oder behindert. Mit der Aktion "Unsere Arbeit ist mehr wert" wollen wir einmal jene in den Vordergrund stellen, die diese Personengruppen professionell betreuen.Bild mit Transparent "Unsere Arbeit ist mehr wert"
Ziel der Aktion ist es, Licht ins Dunkel der Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich zu bringen. Sie werden dabei auf die Heimhelferin treffen, die tagtäglich unseren älteren Verwandten bei der Bewältigung ihres Alltags hilft. Sie treffen die Pflegehelfer und das diplomierte Krankenpflegepersonal, welche die betagten und kranken Menschen  beim Gesund-Werden begleiten. Sie treffen den Sozialarbeiter, der jeden Tag behinderte Jugendliche dabei unterstützt, ihre Lebensqualität zu erhöhen. Und sie treffen die Kinderbetreuerin, die unsere Kinder umsorgt, während sie und wir arbeiten.
All diesen Berufsgruppen ist eines gemeinsam: Sie leisten durch ihre Arbeit einen wesentlichen Beitrag für den Zusammenhalt und wirtschaftlichen Erfolg einer Gesellschaft, der jedoch vielfach nicht entsprechend honoriert wird. Vor allem in den unteren Einkommensbereichen, in denen viele Frauen arbeiten, besteht ein großer Aufholbedarf. Gleichzeitig leisten Bund, Länder und Gemeinden nicht jenen Beitrag, der notwendig wäre, um jene Einkommensentwicklung sicher zu stellen, die der Leistung dieser Beschäftigten auch gerecht wird. Gerade heuer ist es unabdingbar, für die ca. 75.000 Beschäftigten dieser Branche eine deutliche Reallohnerhöhung zu erreichen. Auch die Leistungsverdichtung in Folge der Tatsache, dass der Personalzuwachs mit der zunehmenden Anzahl der zu Betreuenden bei weitem nicht Schritt halten kann, gilt es zu stoppen. Sonst ist irgendwann den HelferInnen nicht mehr zu helfen, mit all den daraus resultierenden Folgen für Jugendliche, Behinderte, Kranke und all die anderen von diesen betreuten Personengruppen.
Als GesprächspartnerInnen stehen BetriebsrätInnen zur Verfügung, die in verschiedenen Funktionen innerhalb der GPA-djp tätig sind.
* Peter Hackl, Betriebsratsvorsitzender Österreichische JungarbeiterInnenbewegung
* Vivian Fletzer, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Kuratorium Psychosoziale Dienste in Wien
* Elisabeth Mandl, Betriebsratsvorsitzende Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen
* Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender Sucht- und Drogenkoordination Wien GmbH
* Elisabeth Proyer, Angestelltenbetriebsratsvorsitzende Wiener Sozialdienste Alten- und Pflegedienste GmbH
* Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende Verein Wiener Kinder- und Jugendbetreuung
* Silvia Weber-Tauss, Zentralbetriebsratsvorsitzende Kuratorium Wiener PensionistInnenwohnhäuser

Zeit: Mittwoch, 26. November 2008, 10 Uhr 30
Ort: Rathaus - vor dem Ausgang Friedrich-Schmidt-Platz, 1010 Wien.

Während der Aktion wurde die folgende Presseunterlage an die Medien, aber auch anwesende interessierte Wiener GemeinderätInnen verteilt.

Gesamtbild der AktionMit der Aktion „Unsere Arbeit ist mehr wert“ hat die GPA-djp gemeinsam mit den betroffenen Betriebsrätinnen und Betriebsräten am 26.11.2008 beim Wiener Rathaus auf die Arbeitssituation der Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich hingewiesen.
Im Zuge der Verhandlungen zum BAGS-Kollektivvertrag wurden dabei Stadt und Land Wien als maßgebliche Fördergeberinnen zahlreicher Einrichtungen in diesem Bereich darauf aufmerksam gemacht, dass die hohe Qualität der Arbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich nur durch verbesserte Arbeitsbedingungen und die Bereitstellung der dafür notwendigen Budgetmittel geleistet und gewährleistet werden kann.
Die Fördergeberinnen wurden dazu aufgefordert, den Betrieben im Sozialbereich jene Mittel zur Verfügung zu stellen, welche erforderlich sind, um einen Reallohnzuwachs zu erzielen und qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können.

Der Kollektivvertrag

Der BAGS-Kollektivvertrag ist einer der größten Kollektivverträge der Gewerkschaften GPA-djp und vida. Er gilt für die Bereiche Behindertenbetreuung, Altenpflege, Kinder- und Jugendwohlfahrt sowie für Betriebe mit arbeitsmarktpolitischem Hintergrund und trifft Regelungen für die Berufsgruppen HeimhelferInnen, Pflegeeltern, KindergärtnerInnen, Tagesmütter/-väter, SozialarbeiterInnen, diplomierte KrankenpflegerInnen, FachsozialbetreuerInnen, FlüchtlingsbetreuerInnen, Street WorkerInnen, AltenhelferInnen, PflegehelferInnen, sowie Lern- und FreizeitbetreuerInnen.

75.000 Beschäftigte – überdurchschnittliche Belastungen

Von den rund 75.000 Beschäftigten der Branche gehören die niedrigen EinkommensbezieherInnen zu jenen Berufsgruppen, welche unter dem österreichischen Durchschnittseinkommen verdienen und dennoch leisten sie verantwortungsvolle Tätigkeiten, die oft emotionale Schwerarbeit darstellen und entsprechende fachliche wie persönliche Qualifikationen und Kompetenzen voraussetzen. Sie passieren zumeist abseits der öffentlichen Wahrnehmung, zu jeder Tageszeit, an Wochenenden und Feiertagen. Nur ihr Ausfall würde auffallen, nämlich auch jenen, in deren dynamischer Berufs- und Freizeitwelt die Themen Alter, Krankheit oder Bedürftigkeit (noch) keine große Bedeutung haben. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft wären enorm, wenn es keine Betreuungsangebote für Kranke, Behinderte, Jugendliche, alte Menschen und zahlreiche andere Personengruppen geben würde.
Dieser wesentliche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Beitrag der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich wird trotzdem nicht ausreichend anerkannt – auch nicht im Einkommensbereich

Leistungsverdichtung versus Lebensqualität

Der wachsende Bedarf nach Leistungen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Sozial- und Gesundheitsbereich deutlich ausgebaut und damit zu einem wichtigen Beschäftigungsfaktor wurde. Wenig berücksichtigt blieben dabei die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.
In diesem Zusammenhang darf auch nicht vergessen werden, dass es im Sozial- und Gesundheitsbereich sehr viele Teilzeitbeschäftigte gibt. Gerade in diesen Berufsgruppen steigt die Anzahl der so genannten „working poor“ enorm an.
Des Weiteren handelt es sich bei den Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich um eine Berufsgruppe mit überdurchschnittlichen gesundheitlichen, psychischen und emotionalen Belastungen. Fehlende Personalressourcen, erhöhter Zeitdruck, mangelhafte Entlastungsangebote der ArbeitgeberInnen, führen bei vielen Beschäftigten zu Stresssymptomen. Laut einer aktuellen Studie der IG work@social der GPA-djp sind 20%, d.h. jede/r fünfte Beschäftigte in dieser Branche Burn-Out gefährdet.
Dies ist v.a. die Folge knapperer Budgets, welche dazu führen, dass die Anzahl der Beschäftigten oftmals nicht mit der wachsenden Zahl der zu Betreuenden sowie den Anforderungen an die Tätigkeit Schritt hält. Diese Leistungsverdichtung führt zu einer Dauerüberlastung.

Adäquate Arbeitsbedingungen – angemessene Lohn- und Gehaltserhöhungen
PappkameradIn mit der Forderung nach 8,2% Lohnerhöhung
Der private Gesundheits- und Sozialbereich wird vorwiegend aus Geldern der öffentlichen Hand finanziert, welche sich überdurchschnittlicher Steuereinnahmen erfreut. Damit dürfen aus Sicht der ArbeitnehmerInnen, Gewerkschaften und pflegebedürftigen Menschen nicht ausschließlich die Managementfehler der Finanzwelt korrigiert werden. Trotz der Finanzmarktkrise ist Österreich noch immer das viertreichste Land der EU. Das Land ist daher sehr wohl im Stande, den Berufsgruppen im Sozial- und Gesundheitsbereich, die unter schwierigen Verhältnissen verantwortungsvolle Tätigkeiten ausüben, mehr als ein Einkommen nur zum Auskommen zu ermöglichen und durch z.B. Personalaufstockung gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen abzuschaffen.
Die Leistungen können jeweils nur so gut sein, wie die Rahmenbedingungen, unter denen sie erbracht werden müssen.
Die Forderung nach deutlichen, weit über der Inflationsrate liegenden Lohn- und Gehaltserhöhungen ist daher für die Beschäftigten dieser Branche eine gesellschaftliche Notwendigkeit, werden es sich doch sonst in Zukunft immer mehr Menschen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr leisten können, in diesem so wichtigen Bereich zu arbeiten.

Ein Video der Aktion findet sicher hier.

Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender SDW & Wiener Vernetzung im Sozial- und Gesundheitsbereich