Im Dienste des Gemeinwohls?: Arbeitsbedingungen von Frauen im Gesundheits- und Sozialbereich

Die großen Dienstleitungsbereiche Gesundheit und Soziales sind seit jeher von einem sehr großen Frauenanteil geprägt. So sind in den Gesundheitsberufen 83,4% der Beschäftigten (Quelle: Statistik Austria) und in den Sozialberufen 76,4% (Quelle: AMS-Info) der Beschäftigten Frauen. Diese (vorwiegend weiblichen) Beschäftigten haben großteils mit sehr harten Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Deshalb offenbart sich besonders in diesen Bereichen die untrennbare Einheit des Kampfes für bessere Arbeitsbedingungen mit dem allgemeinen Kampf für die Befreiung der Frau.
Jede soziale Errungenschaft, die wir heute genießen, ist in der Vergangenheit von der ArbeiterInnenbewegung den Bürgerlichen in teils harten Kämpfen abgerungen worden. Zu diesen Errungenschaften gehören auch alle Gesundheits- und Sozialdienste. Heutzutage, in der Zeit der allgemeinen Krise des Kapitalismus, richtet sich deswegen der Druck von Sparmaßnahmen mit voller Kraft auf die „unprofitablen“ Bereiche gesellschaftlicher Leistungen. Im Gesundheits- und Sozialbereich sind davon vor allem Frauen betroffen.

Diagnose

Wie aber stellt sich die oftmals prekäre Arbeitssituation von Frauen im Gesundheits- und Sozialbereich dar? Die Liste ist lang; deshalb werden im Folgenden nur einige der wichtigsten Aspekte dargestellt, die auch stets als Ergebnis von Studien zu diesem Thema wiederkehren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass natürlich nicht immer alle Merkmale auf alle Berufssparten im Gesundheits- und Sozialbereich zutreffen, sehr wohl aber den allgemeinen Trend bzw. die verallgemeinerte Situation sehr gut aufzeigen.
Die Arbeit in diesem Bereich ist in der Regel körperlich und/oder psychisch sehr anstrengend bzw. belastend. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nun einmal der konkrete Mensch und nicht irgendein Werkstück. Oftmals hängt das Wohl oder gar das Leben eines Menschen von der konkreten Dienstleistung ab. Diese Belastung könnte natürlich durch zahlreiche Maßnahmen abgefedert werden, doch gerade hier tun sich die nächsten Probleme auf.
Der Erbringung der Leistungen im Gesundheits- und Sozialbereich fehlt nämlich die entsprechende finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung. Einerseits befindet sich die Entlohnung im Vergleich mit anderen Berufen im unteren bzw. untersten Bereich. Andererseits werden die hier erbrachten Leistungen in der öffentlichen Diskussion und den bürgerlichen Medien meist nur als Kostenfaktor behandelt. Es wird der Eindruck vermittelt, Gesundheits- und Sozialleistungen würden zuviel kosten und seien nicht unbedingt sinnvoll bzw. erforderlich. Das drückt natürlich auf die Motivation der Beschäftigten.
In vielen Bereichen herrscht eklatanter Personalmangel. Dies trifft vor allem auf den Gesundheitsbereich zu. Der allgemeine Spargedanke setzt sich hier u.a. durch die chronische Unterbesetzung von Krankenhäusern und Pflegeheimen durch. Die anfallenden Arbeiten werden für den/die EinzelneN immer mehr – mit der Konsequenz von gefährlicher Pflege, vermehrtem Burn-Out und vorzeitigen Berufsaustiegen. Dies verschärft den Personalmangel weiter. Die Überlastung führt gleichzeitig zu vermehrten Krankenständen, welche mit Überstunden, die ohnedies die Regel sind, von den gesunden KollegInnen ausgeglichen werden – ein Teufelskreislauf.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderwunsch ist für Frauen in diesen Bereichen kaum möglich. Sie trifft es doppelt hart, dass es nicht genug Kinderbetreuungseinrichtungen gibt, welche noch dazu zu ihren Dienstzeiten (Nacht- und Wochenenddienste, die ein ‚normales’ Familienleben ohnedies verunmöglichen) sowieso geschlossen sind. Kinder sind also oft nur möglich, wenn der Job aufgegeben wird und es einen Partner in der ‚Versorgerfunktion’ gibt, der das Geld heimbringt, während sich die ehemals berufstätigen Frauen um Haushalt und Kinder kümmern.
Kein Wunder also, dass der Anteil teilzeitarbeitender Frauen hier extrem hoch ist und je nach Betrieb und Bereich teilweise bei über zwei Drittel liegt. Damit einher gehen Löhne, die die Existenz nicht sichern können, Pensionseinbußen, der Verlust des beruflichen und gesellschaftlichen Anschlusses bzw. der Aufstiegschancen usw.
Folglich ist der Prozentsatz von Frauen in Leitungsorganen, sei es nun im Betrieb oder auch in der Gewerkschaft, dem Anteil von Frauen in diesem Bereich oftmals genau entgegengesetzt. In einem bestimmten Krankenhaus z.B. sind sowohl die Pflegedirektion als auch die gewerkschaftliche Vertretung für die Pflege männlich besetzt, obwohl ca. 80% aller Pflegekräfte Frauen sind. Frauen haben mit dem Problem zu kämpfen, dass sie neben Beruf und Familie einfach keine Zeit und Energie mehr dafür aufbringen können, sich auch noch gewerkschaftlich zu betätigen oder durch Fortbildungen usw. für ihre Karriere zu sorgen. So gewinnen automatisch Männer in den betrieblichen und gewerkschaftlichen Strukturen die Oberhand, da sie im Normalfall von einer Doppelbelastung weitgehend befreit sind.

Befund

Nach dieser (unvollständigen) Liste der Probleme von Frauen im Gesundheits- und Sozialbereich drängt sich folgende Schlussfolgerung auf: Viele Schwierigkeiten resultieren gerade daraus, dass viele Berufe in diesen Bereichen traditionelle Frauenberufe sind.
Doch warum sind diese Bereiche überhaupt eine Domäne der Frauen? Die Hauptursache liegt in der allgemeinen Stellung der Frau in unserer Gesellschaft. So wird neben all dem scheinheiligen Gerede von Gleichberechtigung in der Praxis auch heute noch versucht, die Frau auf die Rolle der Erbringerin der Haushaltsleistungen und der Kindererziehung zu reduzieren. Sie ist meist innerhalb der Familie diejenige, die für das gesundheitliche und soziale Wohl der Mitglieder verantwortlich ist: Versorgung der Kranken und Pflegebedürftigen, Organisation von Festen und sozialen Kontakten usw.
Durch dieses traditionelle Rollenbild werden Frauen vermehrt in Berufe gedrängt, die sich auf irgendeine Art aus den häuslichen Tätigkeiten ableiten. Die bürgerliche Logik (der auch die Gewerkschaftsführung in der Praxis oftmals nachgibt) besagt: Warum sollte eine Arbeit gut bezahlt werden, die jeden Tag in den Familien millionenfach gratis erledigt wird? Dementsprechend gestalten sich auch die Arbeitsbedingungen!
Bei den hier behandelten Berufen wird außerdem stets versucht, die dienende Rolle hervorzuheben. Dies hat zur Konsequenz, dass sich der Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen viel schwieriger und schleppender gestaltet, als in männlich dominierten Berufen. Noch dazu werden alle typischen Frauenberufe von der Gewerkschaftsführung traditionell stiefmütterlich behandelt. Außerdem erfordert jede Form von Arbeitskampf (inklusive des Streiks) im Sozial- und Gesundheitsbereich mehr Vorbereitung und Kreativität als z.B. ein Kampf im Metallbereich, geht es doch schließlich um die Versorgung von bedürftigen Menschen und nicht einfach um den Stopp der Produktion.

Behandlung

Um die Arbeitsbedingungen von Frauen im Gesundheits- und Sozialbereich dauerhaft zu verbessern, müssen wir gegen zwei Dinge gleichzeitig kämpfen. Erstens gegen das traditionelle Frauenbild. Die Arbeitskraft der Frau ist keinesfalls weniger wert und ihre Fähigkeiten beschränken sich nicht auf Kindererziehung, Haushalt und soziale Familiendienste. Jede Frau muss all ihren beruflichen, politischen und privaten Interessen nachgehen können.
Zweitens richtet sich unser Kampf gegen die Doppelbelastung der Frau und die Vorstellung, dass häusliche Arbeiten nichts wert sind, könnten Gesellschaft und Wirtschaft doch ohne diese nicht existieren. Deswegen treten wir für die vollständige Vergesellschaftung der Hausarbeit mit existenzsichernden Löhnen und guten Arbeitsbedingungen ein. Dazu gehört auch der flächendeckende Ausbau hochwertiger Kinderbetreuungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen.

Martin Wieland, Vertrauensperson AKH Linz