GPA-DJP Katzian: Irisches Nein als Chance für EU-Kurskorrektur nutzen: Soziale Dimension in der EU stärken und rechtliche Basis für europaweite Referenden schaffen

Eine grundlegende Kurskorrektur der EU fordert ÖGB-Europasprecher und GPA-DJP-Vorsitzender Wolfgang Katzian aus Anlass der heute in Brüssel stattfindenden Europäischen Rat, bei dem das irische Nein zum Reformvertrag im Mittelpunkt der Beratungen der Staats- und Regierungschefs stehen wird. "Die EU muss das Nein der Iren als Chance nutzen und einen Neustart wagen. Die Politik der Union findet in erster Linie deshalb keine Zustimmung in der Bevölkerung, weil die soziale Dimension fehlt", kritisiert Katzian. Der Reformvertrag enthalte zwar positive Ansätze wie den Grundrechtekatalog, nach wie vor dominiere aber das neoliberal geprägte Wettbewerbs- und Liberalisierungsregime. Gerade die jüngsten Entscheidungen des EuGH aber auch die aus gewerkschaftlicher Sicht bedenklichen Bestimmungen bei der Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie zeigten, wie notwendig eine Kurskorrektur sei.
Der EuGH hatte unlängst in mehreren Urteilen die unternehmerischen Freiheiten über das Recht zur Durchsetzung von Kollektivverträgen und kollektive Arbeitskampfmaßnahmen gestellt. Der vorliegende Vorschlag zur Novelle der Arbeitszeitrichtlinie falle weit hinter das zurück, was die Gewerkschaften und auch das Europäische Parlament an gesichertem Schutz vor überlangen Arbeitszeitengefordert haben und bringt einen klaren Rückschritt für das Soziale Europa, betont Katzian. "Wir müssen uns schon fragen, was in Europa mehr zählen soll: unveräußerliche soziale Grundrechte oder die Freiheit zur Lohnkonkurrenz? EU-weite Regelungen zum Arbeitnehmerschutzes oder sozial unausgewogene Kompromisse zu Lasten der ArbeitnehmerInnen", so Katzian.
Daher erwartet sich Katzian von den Staats- und Regierungschefs, dass sie bei ihrem Gipfeltreffen auch eine klare Perspektive aufzeigen, wie die deutlichen Defizite des Integrationsprozesses angegangen werden können. "Wir dürfen die Kritik an der Union nicht den rechten Populisten überlassen, sondern wir müssen die Fehlentwicklungen in Europa offen aufzeigen. So brauchen wir endlich eine koordinierte europäische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die diesen Namen auch verdient. Wir brauchen einen erweiterten Aufgabenkatalog der Europäischen Zentralbank, die sich nicht nur um die Inflation sondern auch um Wachstum und Beschäftigung kümmern muss. Und wir brauchen - Reformvertrag hin oder her - in der EU eine verbindliche Absicherung sozialer Grundrechte und einen wirksamen Schutz sozialer Dienste vor weiterer Kommerzialisierung und Privatisierung" so Katzian abschließend.

GPA-DJP-Presseaussendung vom 19.06.2008